Gedichte für Kinder – Folge 14: Sechs unveröffentlichte Kindergedichte von Jürgen Spohn

Uwe-Michael Gutzschhahn präsentiert jeweils am 10. eines Monats auf DAS GEDICHT blog faszinierende Kindergedicht-Autoren mit ihren vielfältigen Spielarten der Kinderpoesie. Denn das Kindergedicht soll lebendig bleiben – damit aus jungen Gedichtlesern neugierige Erwachsene werden, die sich an die Klänge und Bilder der Poesie erinnern, statt an die Last der didaktischen Lyrikinterpretation.

 

Lied von der Melanie

Melaimmer
Melaoft
Melameistens
Melamanchmal
Melaselten
Melanie
 

Regen

Der Himmel
öffnet Schlauch & Faß
und Mensch & Maus & Hund
ist naß

So schmatzt und gurgelt
Erdenschoß
Der Durst ist groß

Neon tanzt
auf dem Asphalt
Mir ist kalt

So mancher Tropfen
tropft vom Kinne
Es rinnet rinnend
in der Rinne
 

Manchmal

An manchen Tagen
geht nichts zusammen:
Da bellt die Maus
Da kräht der Frosch
Da muht das Schwein
Da fiept der Hund
Da quakt der Hahn
Da quiekt das Huhn
Da zirpt die Ziege
Da meckert die Meise
Da gackert die Katze
Da zwitschert die Kuh
 

Kaum

Am Wiesensaum
da steht ein Baum
und regt sich kaum

Läßt manchmal bloß
‘n Appel los
in Mutter Erdes
Erdenschoß
 

Nachtgäste

Es klopft –
»HEREIN«:
Ein rotbestrumpftes
Zackenschwein
Ein Schnabeljau
vom Hinterland
Ein eingemachter
Jodelfant
wollen sich
nicht nehmen lassen
mich im Dunkeln
anzufassen
Ob ich was
dagegen hätt –
mit ins Bett …
 

Glück ist

wenn man unter deinen Hut
einen kleinen Sperling tut

wenn man in der Dunkelheit
statt alleine sehr zu zweit

wenn man jedentäglich satt
eine warme Suppe hat

wenn sich schmiegsam ein Insekt
unter deinem Hemd versteckt

oder durch ein Rapsfeld streifen
einen Zipfel Himmel greifen

wenn am letzten Tag
dich noch immer jemand mag
 

© Barbara Spohn

Jürgen Spohn zählte in den 1980er Jahren zu den ganz großen Kinder- und Nonsenslyrikern und war zudem ein bedeutender Grafiker. Beides, Bild und Gedicht verband er immer wieder in seinen Büchern, für die er viele Preise erhielt. Gemeinsam schuf er mit Ernst Jandl den Band »falamaleikum“ (1983), in dem Jandl für die Texte und Spohn für die Illustrationen sorgte. Seine eigenen Gedichte sind u. a. in den Bänden »Drunter & Drüber« (1980), »Das Schnepfen-Köfferchen« (1987) und »Flausensausen« (1989) erschienen. »Drunter & Drüber« wurde bis heute als einziges Gedichtbuch mit dem Deutschen Jugendliteraturpreis ausgezeichnet. Leider sind Spohns sämtliche Bücher nur noch antiquarisch zu finden und es ist dingend an der Zeit, seine Gedichte für Eltern und Kinder neu zu entdecken und zugänglich zu machen. Jürgen Spohn starb 1992 in Berlin. Die hier zusammengetragenen Gedichte stammen aus dem Nachlass.

Uwe-Michael Gutzschhahn. Foto: Volker Derlath
Uwe-Michael Gutzschhahn. Foto: Volker Derlath

Uwe-Michael Gutzschhahn, Jg. 1952, lebt in München und hat an der Universität Bochum über den Lyriker Christoph Meckel promoviert. Seit 1978 hat er zahlreiche eigene Gedichtbände veröffentlicht, u. a. »Fahrradklingel« (1979), »Das Leichtsein verlieren« (1982) und »Der Alltag des Fortschritts« (1996). Zwischen 1988 und 1991 gab er die 12-bändige Kinder-Taschenbuchreihe »RTB Gedichte« mit Texten u. a. von Ernst Jandl, Oskar Pastior, Friederike Mayröcker und Sarah Kirsch heraus. 2003 folgte die Anthologie »Ich liebe dich wie Apfelmus«, die er mit Amelie Fried zusammenstellte und die gerade in einer Neuausgabe wiederaufgelegt wurde. Sein erster eigener Kindergedichtband folgte 2012 unter dem Titel »Unsinn lässt grüßen«. Und im Herbst 2015 erschien seine große Nonsenslyrik-Anthologie »Ununterbrochen schwimmt im Meer der Hinundhering hin und her.«

Alle bereits erschienenen Folgen von »Gedichte für Kinder« finden Sie hier.

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