GIPFELRUF
Folge 31: Fritz Deppert

Fritz Deppert (*1932)

  • Lyriker aus Darmstadt
  • Fritz Deppert wurde in Darmstadt geboren. Er studierte Germanistik, Geschichte und Philosophie an der Universität Frankfurt am Main. Nach seinem Studium war er im höheren Schuldienst tätig, zuletzt als Oberstudiendirektor der Bertolt-Brecht-Schule in Darmstadt. Von 1997 bis 2002 hatte er einen Lehrauftrag für kreatives Schreiben an der TU Darmstadt inne.Fritz Deppert ist Mitglied im Verband der Schriftsteller (VS), des PEN und in der Schriftstellervereinigung »Die Kogge«, deren Ehrenpräsident er ist. Seit 1979 ist Deppert Lektor des Literarischen März (Leonce-und-Lena-Preis). Seitdem ist er auch Mitherausgeber der Buchreihe »Lyrik unserer Zeit«, in der im Abstand von zwei Jahren die Ergebnisse des Literarischen März veröffentlicht werden.Zu Depperts jüngsten Veröffentlichungen gehören »Regenbögen zum Hausgebrauch. Gedichte« (Neues Literaturkontor, Bielefeld, 2003), »Fundsachen. Gedichte« (Verlag H. L. Schlapp, Darmstadt, 2002) sowie »Ein Bankier steigt aus« (Brandes & Apsel, Frankfurt, 2012).

In loser Folge stellt Franziska Röchter für dasgedichtblog die Teilnehmer des »Internationalen Gipfeltreffens der Poesie« am 23.10.2012 in München vor. Sie sprach mit Gipfelteilnehmer Fritz Deppert über den Literarischen März, Wettbewerbe und die Chance der Menschheit zur Vernunft.

Fritz Deppert. Foto: Andreas Arnold

»Für mich ist jede gelungene Gedichtzeile eine kleine Befreiung.«
Fritz Deppert

dasgedichtblog: Herr Deppert, bis 1996 waren Sie Leiter der Bertolt-Brecht-Schule in Darmstadt. Ist es Ihnen schwer gefallen, aus dem Berufsleben zu treten?

Fritz Deppert: Im Gegenteil, ich freute mich auf die gewonnene Zeit fürs Schreiben.

dasgedichtblog: Seit 1979 sind Sie Lektor des Literarischen März, in dessen Rahmen der Leonce und Lena-Preis vergeben wird. Die ›Bepreisung‹ von Talenten ist keine einfache Sache, immer wieder gibt es Diskussionen um eine ›gerechte‹ Bewertung. Wie kann man in der überschaubaren Lyrikszene Befangenheit und Verflechtungen bei der Vergabe von Preisen vermeiden?

Fritz Deppert: Beim Leonce und Lena-Preis sind Lektorat und Jury streng getrennt, was gut ist. Aber in der Literatur spielen beim Erfolg Verflechtungen eine stete Rolle. Vielleicht sind sie, wenn es um besondere Qualität geht, nicht ganz vermeidbar. Wirklich herausragende Autoren und Autorinnen sind nun mal nicht gerade zahlreich.

dasgedichtblog: Wie oft wechselt die Jury und nach welchen Kriterien werden die Jurymitglieder ausgewählt?

Fritz Deppert: Für die Zusammensetzung der Jury gibt es keine festen Regeln. Manche kommen ein- oder zweimal, manche häufiger. Letztlich wird das vor Ort in Darmstadt entschieden und bei Absagen greift man auf Juroren zurück, mit denen man bereits Kontakt hatte. Auch die Zahl hervorragender Lyrikkenner ist nicht sehr groß. In den letzten Jahren hat man darum auch ehemalige Preisträger gezielt eingeladen.

dasgedichtblog: Welchen Sinn machen Altersbeschränkungen bei Wettbewerben? Es entsteht manchmal der Eindruck, dass – wie in der freien Wirtschaft auch – Personen jenseits der fünfzig Jahre keine großen Blumentöpfe mehr gewinnen können?

Fritz Deppert: Der Eindruck von der Benachteiligung von Autoren und Autorinnen, die erst als ältere Menschen die literarische Bühne betreten wollen, trifft zu. Wie soll man es ändern? Der Literarische März war allerdings von Anfang an ein Preis für junge Autoren und Autorinnen, er ist so konzipiert und hat sich bisher trotz aller Veränderungen bewährt.

»Ich möchte nicht in vergangenen Zeiten leben.«

dasgedichtblog: Ihr Band »Gesang aus dem Papierkorb« (Verlag H. L. Schlapp, Darmstadt, 2002) versammelt Geschichten zur Vergangenheit, zur bundesrepublikanischen und politischen Gegenwart, über Hoffnungen und Träume sowie über Zukunftsvisionen und Albträume. Die Geschichten sind teilweise in den Siebziger Jahren entstanden. Würden Sie heute einige umschreiben?

Fritz Deppert: Umschreiben würde ich meine Texte nicht! Aber ich schreibe auch wenig neue Kurzgeschichten, weil die Kurzgeschichte als Form im deutschen Sprachraum – seitens der Verlage und Feuilletons – leider gestorben ist. Ich sehe auch leider derzeit keine Wiederbelebungschance. Wenn ich bei Lesungen die Texte präsentiere, ändere ich sie manchmal spontan.

dasgedichtblog: Besonders interessant in diesem Buch finde ich Ihre Zukunftsvisionen. Ist Ihre Idee des im wahrsten Sinne des Wortes »kopflosen« Regierungsoberhaupts nicht eigentlich schon Realität?

Fritz Deppert: Gute Science Fiction hat des Öfteren die Wirklichkeit enthüllt oder vorweggenommen. Aber auch Science Fiction als literarische Form ist weitgehend in Fantasy und ähnlichem auf- und untergegangen. Das bedauere ich.

dasgedichtblog: Sie machen sich auch Gedanken über die Evolution der Menschheit. In ihrer Kritik am machtbesessenen und besitzgierigen Menschen zeichnen Sie kein besonders hoffnungsfrohes Menschenbild. Sind wir dem Untergang geweiht?

Fritz Deppert: Wir werden noch viele Jahre überleben und viele Ärgernisse. Ich halte es mit Hölderlin: »Wo die Gefahr ist, wächst das Rettende auch«, aber es ist jeweils nur eine Rettung auf Zeit bis zur nächsten Katastrophe und zur nächsten Rettung und so fort.

dasgedichtblog: Vor Kurzem erschien Ihr Krimi »Ein Bankier steigt aus« (Brandes & Apsel, Frankfurt, 2012). Ein Bankier alter Schule steigt rechtzeitig aus dem bereits an seinen Sohn weitergegeben Unternehmen aus und entscheidet sich zu einem Leben in der Obdachlosigkeit. Der Roman, der laut Beschreibung von der »Unmoral der herrschenden Verhältnisse« handelt, erzählt von den Schwierigkeiten, eine Alternative zu leben. Wie realistisch ist Ihr Buch?

Fritz Deppert: Mein Roman ist eigentlich kein Krimi, auch wenn die Bankenwelt immer näher an kriminelle Verhaltensweisen heranrückt. Der beschriebene Ausstieg des Bankiers ist eher Ausdruck meiner ohnmächtigen Wut als eine realistische Studie.

dasgedichtblog: In Ihrem Gedicht »Regenbögen zum Hausgebrauch« heißt es: »Die Menschheit und ihre / ach so menschliche Zukunft / in Regenbogenparadiesen / stampft durch meine Träume, / ein mordlustiges Kollektiv, / Herdenbestie, seit Urzeiten / fortschreitend im Verfeinern / von Mordwaffen und Foltergeräten.« Hat der Mensch überhaupt noch eine Chance?

Fritz Deppert: Der Mensch hat immer eine Chance, weil er die Möglichkeit zur Vernunft besitzt. Aber er hat auch die Möglichkeit zur Unvernunft. Also gibt es keine Garantien und ein stetiges Vor und Zurück. Trotzdem möchte ich nicht in vergangenen Zeiten leben. Damit es mehr und bessere Chancen gibt, müssen Viele von uns, von den Autoren bis zu den Lehrern, von den Eltern bis zu den Politikern, die Balance zwischen Freiheit und Verantwortung vorleben und immer wieder einfordern.

dasgedichtblog: In Ihrem Gedichtband »Atempause. Gedichte zum Mutmachen« (Spectrum, Drucksache Sonderband, Stuttgart, 1983) sucht das Lyrische Ich »nach dem Satz, / der befreit, wenn man ihn hört.« Herr Deppert, welcher Satz könnte das sein?

Fritz Deppert: Das ist individuell zu verstehen! Wenn ich den für alle gültigen Satz wüsste, hätte ich ihn geschrieben. Aber für mich ist jede gelungene Gedichtzeile, auch von anderen Verfassern, eine kleine Befreiung.

dasgedichtblog: Fritz Deppert, ganz herzlichen Dank für das Gespräch.

Fritz Deppert
Regenbögen zum Hausgebrauch

Neues Literaturkontor, 2003
96 Seiten
978-3-920591-70-4
Euro 8,00  [D]

 




Das »Internationale Gipfeltreffen der Poesie: 20 Jahre DAS GEDICHT« ist eine Veranstaltung von Anton G. Leitner Verlag | DAS GEDICHT in Zusammenarbeit mit dem Kulturreferat der Landeshauptstadt München und dem Literaturhaus München. Die Veranstaltung wird vom BR für sein Fernsehprogramm BR-alpha aufgezeichnet (geplante Erstsendung: Samstag, 12. Januar 2013, 22.30 Uhr, Reihe »Denkzeit«, BR-alpha). Hugendubel.de unterstützt das »Internationale Gipfeltreffen der Poesie: 20 Jahre DAS GEDICHT« als Förderpartner.

 

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