Gratulation: Günter Kunert wird 85

Die Herausgeber von DAS GEDICHT, Anton G. Leitner und Michael Augustin, gratulieren zusammen mit der Redaktion DAS GEDICHT der englischsprachigen Redaktion von DAS GEDICHT chapbook ganz herzlich dem Dichter Günter Kunert, der am 6. März 2014 seinen 85. Geburtstag feiert. Kunert steht der Zeitschrift DAS GEDICHT von Anfang sehr nahe und gehört zu unseren hochgeschätzten Stammautoren.

Günter Kunert wurde 1929 in Berlin geboren, wo er 1943 zunächst eine Lehre in einem Bekleidungsgeschäft machte. Wegen seiner jüdischen Abstammung blieben ihm jedoch jegliche Weiterbildungsmöglichkeiten verwehrt. Nach dem zweiten Weltkrieg studierte er ab 1946 fünf Semester Grafik an der Hochschule für angewandte Kunst in Berlin-Weißensee. Seine ersten Gedichte und Geschichten veröffentlichte er 1948 in der Zeitschrift »Ulenspiegel«. Ab 1950 publiziert er in verschiedenen Zeitschriften und arbeitet für Film, Fernsehen und Rundfunk.

1976 unterzeichnet Kunert die Biermann-Petition gegen die Ausbürgerung des DDR-Liedermachers. Er erhält im Oktober ’79 ein mehrjähriges Visum für die Bundesrepublik. Am 10. Oktober 1979 reiste Günter Kunert in die Bundesrepublik aus. Seitdem lebt er in Kaisborstel/Itzehoe.

Günter Kunert wurde vielfach ausgezeichnet. 2005 erhielt er die Ehrendoktorwürde der Universität Turin und dem Juniata College Huntingdon, USA. 2011 wurde Kunert mit dem Preis der Frankfurter Anthologie geehrt.
Sein neuester Gedichtband »Fortgesetztes Vermächtnis. Gedichte« ist vor wenigen Tagen im Carl Hanser Verlag erschienen.

Die Adelsberger Grotte
(Postojna Jama)

von Günter Kunert

Der Eingang zum Inferno
ist mit dem Bus erreichbar.
Reisebüro »Vergil« macht es möglich.
Schon im domhohen Vorraum
hört man mächtiges Brausen und
Sausen: der Chor der Verdammten.
Aber die lang lastende Dunkelheit
hat sie verwandelt: in weißliche
Molche, hilflos unterm Licht
übereinanderkriechend
zur Strafe ihrer Sünden, wie wir
sie täglich betreiben.
Als wir dem Wächter an der Pforte
zum Abschied einen Dinar reichen,
verbeugt er sich, um sein Lächeln
zu verbergen: er weiß
wir würden wiederkommen
in anderer Gestalt.

 
© Günter Kunert, Kaisborstel
Aus: DAS GEDICHT, Bd. 21. »Pegasus & Rosinante. Wenn Poeten reisen«, hrsg. von Michael Augustin und Anton G. Leitner
 

The Caves of Postojna
(Postojnska Jama)

von Günter Kunert

The entrance to the Inferno
may be reached by bus –
courtesy of the travel agency »Vergil«.
Already within the gargantuan vestibule,
roaring and soughing winds are audible:
the choir of the damned.
But the long lasting darkness
has transformed them
into pale salamanders,
helpless under light,
slithering over each other,
crawling about
in redemption of their sins,
common sins, like the ones
you and I commit every day.
As we tip the guard with a Dinar,
saying goodbye
while passing the gate,
he bows humbly, in order to conceal
his smirks:
he knows we will return
in another form.

 
© Günter Kunert, Kaisborstel
Aus: DAS GEDICHT chapbook. German Poetry Now, Vol. 1
Übersetzt von Paul-Henri Campbell

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert