Maik Lippert: IM RAUCHGLAS DES HIMMELS ÜBERM GEWERBEGEBIET. Gedichte 1990 – 2005.

Mit Fotografien von Göstav Dirk Steglich.
Edition Thaleia (www.edition-thaleia.de), St. Ingbert 2007.
145 Seiten, € 13,-

Anton G. Leitner – Es gibt schon »zu viele dichter / mit sehnsucht / nach der notaufnahme«, aber wer wie Maik Lippert seine Kindheit und Jugend in Kleinfahner bei Erfurt verbracht hat und später Ökonomie in Moskau studierte, gehört sicher nicht zu dieser Spezies. Er musste zuallererst einmal den sozialistischen Alltag bewältigen, d. h. (Über-)Lebensmittel und andere Dinge des täglichen Bedarfs »organisieren«. Trotz solcher zeitraubenden Aufgaben hat sich Lippert als Held des Alltags Humor und Sprachwitz bewahrt und zeigt ein erstaunliches Organisationstalent auch im poetischen Bereich. So gelingt es ihm vortrefflich, seine Vorliebe für eine krumme Frucht von der DDR ins wiedervereinigte Deutschland hinüberzuretten: »z. b. bananen / esse ich noch immer / am liebsten überreif / wie damals«. Beim herzhaften »biss ins mark« denkt dieser Lyriker nicht sofort an die geschwollenen Hände der Pflückerin »juanita« und auch nicht an »ihren vater miguel«, sondern freut sich zunächst »gewissenlos« am Kaugenuss.

Politisch korrekte Botschaften in moralinsaure Verse zu verpacken ist Lipperts Sache nicht, aber gerade dies macht den natürlichen Charme und Frischefaktor seiner Gedichte aus. Und so dürfen ihn Leser zum »S-Bahnhof Griesheim bei Dunkelheit« begleiten oder ins »Café Atlantic«: »sieh doch die zwei / wie sie händchen halten / zwei tische vor uns / der junge mit der kapuzen-sweatjacke / das mädchen ganz miss / petrolio«. Der lyrische Ich-Erzähler hat noch den Geschmack von Möhrensuppe und Ingwer im Mund. In Kombination mit der vorher beobachteten Flirtszene animiert ihn dieses Aroma, sich selbst seiner Liebsten zuzuwenden: »so streich ich dir übers shirt / deine brustwarzen fühlen sich spröde / an / wie trockenerbsen«.

Quelle: DAS GEDICHT, Zeitschrift für Lyrik, Essay und Kritik, Bd. 16 (Weßling, Oktober 2008),
S. 134 f.

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