Melanie am Letzten – Folge 16: Die Konversation

Es ist ein Wahnsinn, ein Irrsinn und nicht selten ein Blödsinn: So geht es zu im Tollhaus Welt. Der Mensch neigt zu seltsamen Verhaltensweisen, die schockieren, alarmieren oder amüsieren können. Was hilft zu guter Letzt? Die Poesie. Nicht ärgern, stänkern oder meckern, sondern dichten – meint die schwarzhumorige Poetin Melanie Arzenheimer und kommentiert die Deadlines des Lebens jeweils am Monatsende auf DAS GEDICHT blog.

 

Die Weihnachtsfeiern im Kreis der Familie sind bereits wieder Geschichte, mit dem Jahreswechsel wird alles wieder verflucht offiziell. Neujahrsempfänge, Bälle, Dreikönigstreffen – das volle Programm schlägt gnadenlos zu. Und dann passiert es. Sie steht einem gegenüber. Die gut aussehende Blondine mit dem künstlichen Lächeln. Ja, sie ist die Neue an der Seite von irgend so einem sehr wichtigen Herrn. Weil eben dieser so wichtig ist, sollte man es sich mit ihr nicht verscherzen, weswegen nun vor allem eines gefragt ist: die Kunst der gepflegten, aber nichts sagenden Konversation.

Der Einstieg ist einfach. Machen wir es wie die Amerikaner. »I like your dress« heißt es da gerne, um das Eis zu brechen. »Was für ein zauberhaftes Kleid«, wäre also so eine klassische Einstiegsfloskel, über die sich ein herausgeputztes Püppchen wahnsinnig freuen kann. Jetzt sollte etwas ansatzweise Intelligentes, aber dennoch völlig Unverfängliches folgen, was gar nicht so einfach ist. Da fragt man doch lieber, wo sie das Kleid her hat. Den Namen des nun genannten Designers kennt man natürlich, ja, man ist sogar einer seiner größten Fans. »War die Herbstkollektion nicht einfach der Hit?« Funktioniert. Prima.

Eigentlich hätte man lieber herausgefunden, wie sich das hübsche Wesen den älteren Herrn gekrallt hat, aber das Gespräch bleibt auf Designerklamottenniveau hängen. Sicherheitshalber. Dann vergleicht man die Gute noch mit einem Showstar, der gerade irgendeinen Preis bekommen hat. Perfekt. Sie fühlt sich geehrt. Schließlich kommt der Ehemann in spe dazu, man prostet sich zu, lächelt und während sich die Gruppe wieder auflöst, denkt sich jeder seinen Teil. Puh. Geschafft. Jetzt ab an die Bar. Etwas mit mehr Inhalt konsumieren.
 

Smalltalk,

Siehst du gut aus
Darling!

Super Style
echt charming

Falten einfach
ausgebügelt

Dekolleté neu
aufgehügelt

servus, ciao-ciao
Bussi, Bussi –

blöde Tussi!

 
© Melanie Arzenheimer, Eichstätt

 

Melanie Arzenheimer. Foto: Volker Derlath
Melanie Arzenheimer. Foto: Volker Derlath
»Melanie am Letzten« wird Ihnen von Melanie Arzenheimer präsentiert. Sie wurde 1972 in Eichstätt / Bayern geboren, wo sie heute noch wohnt. Melanie Arzenheimer arbeitet als Chefredakteurin bei der espresso Mediengruppe Ingolstadt, sowie als freiberufliche Hörfunkmoderatorin.
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Alle bereits erschienenen Folgen von »Melanie am Letzten« finden Sie hier.

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