Fremdgehen, jung bleiben – Folge 15: Jana Mathy

Junge Lyrik sieht sich selbst oft als eine Quelle der Innovation. Die Schnelllebigkeit der modernen Sprache, die Vielfalt der heutigen Gesellschaft mit all ihren frischen Einflüssen aus Ost, West, Süd und Nord verändern auch die Literatur tiefgreifend. Und so legt Leander Beil an jedem 8. des Monats den Fokus auf das kulturell und sprachlich Andere, das vermeintlich Fremde in der noch jungen Textwelt. »Fremdgehen, jung bleiben« nimmt jeweils einen Text oder Textausschnitt unter die Lupe und spielt essayistisch mit diesem – ohne den Spielregeln einer starren Analyse zu folgen.

 

»Eat, sleep, work, repeat.« Ist Arbeit Werk oder Mühsal? Meistens wohl beides. Manchmal ist das Tun und Machen, der Stress aber auch einfach nur überbordend. Und er verwandelt einen zu einem Fremdkörper in der eigenen Haut. Funktionieren ohne Reflektieren – das kennt man.

»Fremdgehen, jung bleiben« hat mit Jana Mathy (geboren 1997 in Konstanz) eine junge Autorin hinzugewonnen, die zweifellos reflektiert. Und so schafft sie es in ihrem Text, den oben angesprochenen inneren Zwist gekonnt herauszuarbeiten.

Tagein, tagaus hebt man ab und klebt gleichzeitig am eigenen Bettlaken (»aus mir heraus heben die gedanken ab / nachts / schwitze ich mich / durch meine bettlaken«). Wie eine Marionette wird das Ich bewegt und hin- und hergeworfen. Der Tag fühlt sich an, wie ein stetes Einatmen – und doch scheint die gesammelte Luft nie ganz für einen erleichternden Seufzer auszureichen (»in der brust / sammle ich luft zum einatmen«).

Das Highlight des Textes ist jedoch zweifellos der Schlusssatz. Denn dieser macht einem abrupt klar: Man hört sich sagen, und doch verliert das gesprochene Wort an Bedeutung. Man sieht sich tun und machen, und doch ist das Endprodukt nicht das eigene. Ein maschineller Automatismus, der von einem Besitz ergriffen hat. »Eat, sleep, work, repeat.« Ruft einer bitte einen Exorzisten!
 

es ist schwierig die balance
zu halten
entweder kippe ich
in die eine richtung
oder in meinem kopf ist
gerenne

aus mir heraus heben die gedanken ab
nachts
schwitze ich mich
durch meine bettlaken

die tage werden zusammengegossen
in musik die
meinen körper nach oben trägt
und wummert
in den füßen und
in der brust
sammle ich luft zum einatmen

jemand sagt etwas
 

© Jana Mathy, Konstanz
 

Leander Beil. Foto: Volker Derlath
Leander Beil. Foto: Volker Derlath

Leander Beil, geboren 18.08.1992 in München, lebt und studiert nach mehrjährigem Brasilienaufenthalt in München. Mitglied des Münchner Lyrik-Kollektivs »JuLy in der Stadt« (www.julyinderstadt.de). Erste Lyrikveröffentlichungen in »Drei Sandkörner wandern« (Deiningen, Verlag Steinmeier 2009), Versnetze 2/3 (hg. von Axel Kutsch, Weilerswist, Verlag Ralf Liebe 2009), NRhZ-Online (Literatur), »Die Hoffnung fährt schwarz« (München, Verlag Sankt Michaelsbund 2010), »Ois is easy« (München, Verlag Sankt Michaelsbund 2010), »Der deutsche Lyrikkalender 2012« (Boosstraat, Alhambra Publishing 2011), www.lyrikgarten.de (Online Anthologie des Anton G. Leitner Verlags), DAS GEDICHT Bd. 17, Bd. 18, Bd. 19, Bd. 22, Bd. 23 (Weßling, Anton G. Leitner Verlag), »Pausenpoesie« (Weßling, Anton G. Leitner Verlag 2015).
Alle bereits erschienenen Folgen von »Fremdgehen, jung bleiben« finden Sie hier.

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