Gedichte mit Tradition, Folge 6: »Die tragische Zauberin«

»Gedichte mit Tradition – Neue Blätter am Stammbaum der Poesie«: eine fortlaufende Online-Anthologie, zusammengestellt von Jan-Eike Hornauer

 

Jan-Eike Hornauer

Die tragische Zauberin

Traurig, schön und unvergleichlich
sitzt im Rhein auf großem Steine
Loreley für sich alleine.
Der Begierden weckt sie reichlich.

Für sie selbst ist’s was Gewohntes:
Schon in ihrem alten Leben
war’n die Männer ihr ergeben
und ganz sicher: »Ja, sie lohnt es!«

Doch der von ihr Auserwählte
zog sich fort aus ihrem Banne
nach nur kurzer Zeitenspanne.
Erst Geliebte, dann Gequälte.

Darum stahl dies Frauenzimmer
heimlich weg sich in die Ferne.
Und sogar im Licht der Sterne
hockt sie singend, schläft gar nimmer.

Kahn um Kahn ist nun verloren.
Keiner achtet mehr der Riffe,
keiner denkt mehr seinem Schiffe,
wähnt er sich erst auserkoren.

 
© Jan-Eike Hornauer, München
 

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Gedichte mit Tradition»Gedichte mit Tradition« im Archiv

Zu dieser Reihe: »Gedichte mit Tradition – Neue Blätter am Stammbaum der Poesie« ist eine Online-Sammlung erstveröffentlichter zeitgenössischer Poeme, die zentral auf ein bedeutendes Werk referieren, ob nun ernsthaft oder humoristisch, sich verbeugend oder kritisch. Jeden Freitag erscheint eine neue Folge der von Jan-Eike Hornauer herausgegebenen Open-End-Anthologie. Alle bereits geposteten Folgen finden Sie hier.

Ein Kommentar

  1. Wirklich tragisch mit dem Frauenzimmer.
    Ich glaub das bin ich. Man könnte u.a. auch
    mich damit gemeint haben, so meine ich.
    Danke für das traurig-schöne Gedicht,
    lieber Jan-Eike
    LG. von
    Rieke

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