GIPFELRUF
Folge 12: Ulrich Johannes Beil

Ulrich Johannes Beil (*1957)

  • Lyriker aus Zürich und Holzkirchen
  • Ulrich Johannes Beil lebt in Zürich und Holz-kirchen. Er studierte Philosophie, Germa-nistik, Theologie sowie Politologie und promo-vierte zum Dr. phil. in Literaturwissenschaft. Von 1988 – 2004 lehrte und forschte er an der Hokkaido University in Sapporo, an den Uni-versitäten München und Göttingen sowie an der Universidade de São Paulo (als Gastpro-fessor). 2003 folgte die Habilitation. Seit 2005 ist Beil Privatdozent an der Uni München, seit 2006 Senior Researcher an der Uni Zürich. Neben zahlreichen wissen-schaftlichen Veröffent-lichungen erschienen von ihm mehrere Gedichtbände, u. a. »Aufgelassene Archive« (DuMont). Mit DAS GEDiCHT war Beil von Anfang an verbunden, als Autor, Chefredakteur und Korrespondent. Gemeinsam mit Anton G. Leitner edierte er DAS GEDICHT Bd. 18.

dasgedichtblog gratuliert Ulrich Johannes Beil, Teilnehmer beim »Internationalen Gipfeltreffen der Poesie« am 23.10.2012 in München, ganz herzlich zum Geburtstag. Der Lyriker stellt sich heute den Fragen unseres dasgedichtblog-Fragebogens.

Ulrich Johannes Beil. Foto: Boerboom & Vogt, DAS GEDICHT

Lyriker-Steckbrief

Name / Vorname: Beil, Ulrich Johannes

Geburtsdatum: 24. Juni 1957

Geburtsort: München

Augenfarbe: Braun

Größe: 1,75 m

Wohnort (mit Bundesland): Zürich (Schweiz), Holzkirchen b. München (Bayern)

Aktueller Gedichtband (mit Erscheinungsjahr, Erscheinungsort, Jahr und Verlag): Aufgelassene Archive (DuMont Buchverlag, Köln, 1998)

23 Fragen an den Lyriker Ulrich Johannes Beil
und ein Satz zum Ergänzen

1. Wann sind Sie zum ersten Mal mit einem Gedicht in Kontakt gekommen?

Schon als Drei- oder Vierjähriger trällerte ich Lieder und einfache Gedichte, mit fünf schrieb ich ein erstes Poem für meine Mutter. Ernsthafter wurde es dann später, als ich aufs Gymnasium ging.

2. Haben Sie den ersten Kontakt mit Lyrik in positiver oder negativer Erinnerung?

Natürlich in positiver! Eines der ersten bewusst gelesenen Gedichte war Goethes »Wanderers Nachtlied (Ein Gleiches)«, das mich nicht losließ und das mich später zu meinem »Neuen Wanderlied« inspirierte.

3. Wann haben Sie Ihr erstes Gedicht geschrieben und wie lautet dessen Titel?

Abgesehen von meinen frühen Kritzelversen habe ich so seit Anfang der 70er Jahre, also mit 13, 14 Jahren, ernsthafter zu schreiben begonnen, und mich in klassische Vers- und Reimtraditionen eingeübt. Mein erstes Gedicht? Keine Ahnung, das soll und muss ein Mythos bleiben.

4. Wo haben Sie Ihr erstes Gedicht veröffentlicht?

Wenn ich micht nicht sehr irre, war es die Schülerzeitung »WIKU« des Wittelsbacher Gymnasiums in München, und das Gedicht (Frucht unserer vorgezogenen humanistischen Abiturfahrt) hieß »Griechenland und zurück«.

5. Was haben Sie der Lyrik zu verdanken?

Das sind so Fragen! Was habe ich meiner Frau zu verdanken? Der Lyrik – vieles, sehr vieles! In jedem Fall einen anderen Blick auf die Dinge, aber das wäre zu wenig. Nicht nur sehe ich anders, ich höre, rieche, atme anders. Die Lyrik eröffnet neben der bekannten Welt fremdartige, unentdeckte, wunderbare, unheimliche Universen. Und die beginnen schon an der nächsten Hausecke. Frei nach Neruda: Wenn ich nie ein Gedicht gelesen hätte, dann wäre das so, als hätte ich nie eine Orange gegessen. Ich würde blasser, immer blasser werden, freudloser, und mich allmählich in Luft auflösen.

6. Was treibt Sie zum Schreiben von Gedichten an?

Es gibt da natürlich keine Antwort. Motivationsforschung, eine unendliche Geschichte! Ich kann nur sagen, dass ich mich, wenn ich länger keine Gedichte schreibe, schlechter fühle, automatenhafter; mein Leben funktioniert noch, aber nicht viel mehr.

7. Was macht für Sie den Reiz der Poesie aus?

Dass sie leuchtet. Dass sie nie langweilig wird. Dass sie sich immer neu erfindet. Dass sie sich nicht unterkriegen lässt, wie die Zeitschrift DAS GEDICHT alljährlich beweist – in einer Epoche wie der jetzigen, in der es scheint, als zählten nur noch Ökonomie, Selbstverwirklichung und Money, Money, Money.

8. Ihr Lieblingsschriftsteller?

Nicht nur einer: viele! Und weil es für mich da kein Ranking gibt, stehen sie alle nebeneinander auf dem Parnass in meinem Kopf, Hölderlin und Rimbaud, Eich und Mayröcker, Eliot und Gullar, Stevens und Ashbery…

9. Ihr Lieblingskünstler?

Das kommt immer auf die Stimmung an: mal ist es Gerhard Richter, mal Gregory Crewdson, mal Edward Hopper, mal Paul Cézanne…

10. Ihr Lieblingsmusiker?

Mein musikalischer Kompass schwankt zwischen Gustav Mahler, Eric Satie und Stan Getz / João Gilberto.

11. Ihr Lieblingsfilm?

»Des hommes et des dieux«? »Central do Brasil«? »Mystic River«? Oder doch »Rear Window«? Fragt mich was Leichteres.

12. Ihre Lieblingsfarbe?

Blau.

13. Ihr Lieblingswort?

Jedes Wort kann zum Lieblingswort werden, sobald es an der einzig richtigen Stelle im Text eingesetzt wird und sich als stimmig erweist. Das portugiesische Wort »carona« mag ich lieber als das hölzerne deutsche Äquivalent »Mitfahrgelegenheit«. Unter den Eigennamen mag ich »Claudia« am liebsten.

14. Ihr Lieblingsvers?

Von Hunderten, die man schätzt, einen auszuwählen, ist kaum möglich. Trotzdem: Ich nehme den Anfang von John Ashberys »Summer«: »There is that sound like the wind / Forgetting in the branches that means something / Nobody can translate […].«

15. Ihr Lieblingsgedicht?

Stellvertretend für viele ›Lieblingsgedichte‹ ein besonders kurzes:

»Denn was täte ich, / wenn die Jäger nicht wären, meine Träume«, aus: Ilse Aichinger, »Gebirgsrand«.

16. Ihr größter Fehler?

Schlecht Nein sagen zu können – und mir dadurch zu viele Aufgaben, Aufträge, Deadlines aufzuhalsen.

17. Was loben Ihre Freunde an Ihnen?

Da müsste man die fragen. Vielleicht: zuhören zu können. Halbwegs zuverlässig, halbwegs bescheiden zu sein.

18. Mit wem würden Sie gerne gemeinsam auftreten?

Mit allen, deren Werke und deren Person ich schätze.

19. Wem möchten Sie nicht in der Sauna begegnen?

Mir selber, da ich es bevorzuge, auf andere Weise ins Schwitzen zu kommen.

20. Welcher Vorzug von Ihnen wird verkannt?

Ich denke, auch wenn ich nicht täglich in den Medien auftauche: Die, die mich kennen, wissen, was ich kann und mit wem sie es zu tun haben. Verkennen? Ist im Moment nicht mein Problem (okay, das Nobelpreiskomitee sieht das noch nicht ganz richtig).

21. Was war Ihr bislang schönstes Erlebnis mit einem Gedicht?

Als ich entdeckte, dass in den Versen, die mein Sohn Leander schreibt, bei aller Unterschiedlichkeit in Gestus, Stoffen und Motiven etwas atmet, dem ich mich rhythmisch-atmosphärisch nahe fühle – ohne dies auch nur irgendwie beschreiben zu können.

22. Wenn Sie einen Wunsch frei hätten, was würden Sie sich wünschen?

Mein ganzes Leben lang so viele Wünsche wie möglich frei zu haben. Wenn es konkreter sein soll: Schreiben zu können, ohne dauernd an das verdammte Geldverdienen denken zu müssen.

23. Welche Nebeneffekte im Literaturbetrieb wären für Sie verzichtbar?

Eitelkeit, Effekthascherei, Oberflächlichkeit, Ignoranz, Arroganz, Auftrumpfen mit ein paar aufs Papier geschmissenen Wörtern – mittlerweile allerdings keine Neben-, sondern Haupteffekte.

Und zum Abschluss eine Satzergänzung:

Wenn ich nochmals auf die Welt käme, würde ich…
…keinen der Fehler wieder begehen wollen, die ich begangen habe – und dann doch auf die Repeat-Taste drücken, das gleiche Leben nochmals leben.


Ulrich Johannes Beil
Aufgelassene Archive. Gedichte

DuMont Buchverlag, Köln, 1998
116 Seiten
ISBN 978-3-7701-4469-3

 




Das »Internationale Gipfeltreffen der Poesie: 20 Jahre DAS GEDICHT« ist eine Veranstaltung von Anton G. Leitner Verlag | DAS GEDICHT in Zusammenarbeit mit dem Kulturreferat der Landeshauptstadt München und dem Literaturhaus München. Die Veranstaltung wird vom BR für sein Fernsehprogramm BR-alpha aufgezeichnet (geplante Erstsendung: Samstag, 12. Januar 2013, 22.30 Uhr, Reihe »Denkzeit«, BR-alpha). Hugendubel.de unterstützt das »Internationale Gipfeltreffen der Poesie: 20 Jahre DAS GEDICHT« als Förderpartner.

 

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