Lockdown-Lyrik 15: »Bis dann« von Katharina Körting

»Lockdown-Lyrik! Quarantäne querdenken – etwas ernst zu nehmen heißt nicht, sich davon unterkriegen zu lassen« ist eine Online-Sammlung von Gedichten, die sich mit der Corona-Krise befassen. Es darf uns die Sprache nicht verschlagen! In loser Folge erscheinen neue Episoden der von Alex Dreppec, Jan-Eike Hornauer und Fritz Deppert herausgegebenen Anthologie.

 

Katharina Körting

Bis dann

Voll ist die Stadt nur mit Plakaten
die Makulatur geworden
Existenzen brechen wie Glas
an leeren Biertischen, deren Wirt
(blass) kein Lächeln mehr findet
Die Pfarrer beten nur online
Auf Balkonen applaudieren Isolierte
den Unterbezahlten
Im kollektiven Waschzwang neugeboren
als virtueller Körper der Angst
prügeln sich Zusammengepferchte den Verstand aus dem Leib
dem Virus zuvorkommend
Die allseits geforderte Solidarität
abstrahiert vom Erleben:
Gefühlen ist nicht mehr zu trauen
Bis wann gilt die Ausgangssperre?
Bis zum nächsten Schnee?
fragt es fröstelnd in Zimmern, auf Stuben
und bang auch der Mann mit den Tüten
der unter der Brücke verliert
Vor abgeriegelten Spielplätzen drücken sich Kinder
Die Sonne im Blau zuckt in Herzen
die trotz allem schlagen
Doch wie soll der Körper, wie soll diese Seele vernünftig sein
ohne arm zu werden? Was ist mit der Liebe, der Haut, mit den Lippen?
Wohin mit all dem, das da pulst?
Wir gehen prüden Zeiten entgegen
(Regierungschefs sprechen von Krieg
Wer wird da am Ende gewinnen?
Der Tod? Oder Leben?)
„Imma uff“ hat die Rolläden runter
Was machen die Alkis jetzt
mit ihrer Sucht allein?

 

© Katharina Körting, Berlin

 

 

Zu dieser Reihe: »Lockdown-Lyrik! Quarantäne querdenken – etwas ernst zu nehmen heißt nicht, sich davon unterkriegen zu lassen« ist eine Online-Sammlung zu den aktuellen Auswirkungen der Corona-Krise. Wir wollen im Gespräch bleiben, während wir Infektionsketten unterbrechen. Wir wollen die Erfahrung der Vereinzelung miteinander teilen. Wir wollen virtuelle Brücken bauen. Wir wollen das tun, was wir können: dichten, die Welt – und auch die aktuelle Situation – poetisch erfassen.Unser Anliegen ist es in jedem Fall, zu einem Mehr an Besonnenheit beizutragen, zu versöhnen statt zu spalten. Mit Sorge sehen wir überharte Diskussionen, wie sie derzeit online, aber auch offline zu häufig geführt werden. Klar ist uns: Es gehört zu einer Demokratie dazu, Konflikte auszutragen. Aber wir insistieren auch hierauf: Es ist ebenso unerlässlich, sich des Gemeinsamen, Verbindenden bewusst zu sein und zu werden sowie respektvoll miteinander umzugehen.

Uns ist bewusst, dass bereits der Ansatz, zur Corona-Pandemie eine Lyrik-Online-Anthologie herauszugeben, ihre Auswirkungen zeitnah lyrisch zu behandeln, und dies aus verschiedenen Perspektiven sowie in unterschiedlichen Tonlagen, als Provokation aufgefasst werden kann. So ist diese Sammlung keineswegs gemeint. Ihr Thema an sich ist jedoch eben hochemotional besetzt. Für uns, die Herausgeber der Reihe, bleibt trotzdem und gerade deshalb wichtig: Wir wollen Brücken bauen, Perspektiven weiten, der ungewohnten Situation mit poetischen Mitteln und im gemeinschaftlichen Sinne begegnen.

Bleiben Sie gesund!

Alex Dreppec, Jan-Eike Hornauer, Fritz Deppert
 
PS: Alle bereits geposteten Folgen von »Lockdown-Lyrik! Quarantäne querdenken – etwas ernst zu nehmen heißt nicht, sich davon unterkriegen zu lassen« finden Sie hier. In loser, jedoch zügiger Folge wird die Sammlung erweitert.

 

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