Reformatio | Reset
Pausenpoesie zum Neustarten 75
An die Ikonoklasten

Das Lyrikprojekt zur Lutherdekade im Themenjahr 2015
in Kooperation mit Anton G. Leitner | DAS GEDICHT

 

Paul-Henri Campbell

An die Ikonoklasten

zwei volle magazine aus einem sturmgewehr
genügten, um das lächeln von buddhas gesicht
zu nehmen und fünf hiebe mit dem hammer
genügten, um die figur des heiligen hilarius
in stücke zu schlagen und wie viele schüsse
genügten, um die cartoonisten zu vernichten,
die über jene scherzten, die keine bilder dulden
neben ihrem gott, weil es genügte belesen
zu sein und sittsam und strikt.
aber in sümpfen
und in dem hohen schilf verstecken wir sie,
die dürftigen schlecht gemalten, perspektivlosen
bildnisse in verzogenen, rissigen rahmen.
wir schauen sie in der nacht; und wenn die nebel
sich um uns drängen, schauen wir sie auch;
die rußigen leinwände, die den flammen entkamen
sind uns schon trost, denn unser glaube ist
nicht blind und sieht, was andre sahen und sieht,
was andre sehen werden; und oft lachen wir
mit jenen, die sahen und sehen werden, denn
sie sahen und werden sehen, was niemand je
in einem bildnis sehen kann von adam an.

 
© Paul-Henri Campbell, geboren 1982 in Boston (Massachusetts, USA), lebt in Frankfurt am Main.
www.PaulHenriCampbell.com
 

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