»Vastehst me – Bairische Gedichte aus 40 Jahren«

rezensiert von David Westphal

Neuere linguistische Forschung belegt: Die junge Generation der Bayern spricht keinen Dialekt mehr – und empfindet es als ein Defizit!

Der Titel der Anthologie »Vastehst me« aus der edition lichtung, erschienen im lichtung verlag, legt gewissermaßen den Finger in diese Wunde. Die Herausgeber Eva Bauernfeind, Hubert Ettl und Kristina Pöschl versammeln darin gut 150 bayerische Mundart-Gedichte aus 40 Jahren von 50 Autoren. Der Sammelband möchte »einen Überblick über die zeitgenössische Mundart-Lyrik der altbaierischen Regionen« bieten – und in der Tat ist dem lichtung verlag damit ein singuläres Werk innerhalb der bayerischen Literaturlandschaft gelungen. Altbayerisch, das bedeutet: Oberbayerisch, Münchnerisch, Niederbayerisch und Oberpfälzerisch. Die Gedichte sind jedoch weder nach Dialekt, noch chronologisch geordnet, sondern in sechs thematische Kapitel aufgeteilt. Denn das verbindet die versammelten Altbayern: die Lust an der Sprache! Und diese Lust geht gewiss nicht in einer systematischen Zusammenstellung auf, sondern nur in einer kreativen.

Im Eröffnungskapitel beispielsweise tummeln sich Naturgedichte im weitesten Sinne. Es ist betitelt mit »D Berg duftn im Blau«. Darunter finden sich sowohl romantisch eingefärbte Verse, die sich ganz der Naturbetrachtung hingeben, als auch Kritik am Umgang mit unserer Umwelt und Parabeln auf unser zerbrechliches Leben. Albert Sigl schreibt klagend über seine »Impn« (Bienen), die eine Krankheit dahinrafft, was einem alten Mann der letzten Freude beraubt; Carl-Ludwig Reicherts lyrisches Ich gibt, wenn es betrunken ist, »bein kozn« immer auf die »ameisn« acht, weil es sonst ein wirklich »unguads gfui bei da ganzn sach« hätte (man beachte, dass den Bayern ein grobes Mundwerk nachgesagt wird); Gustl Bauer hingegen fühlt sich in seinem Gedicht »Herbstwind« »so leicht und so gring« wie »a Blaadl im Wind«.

Ein weiteres Kapitel heißt »A hoibe mitanand« (Einen halben Liter Bier zusammen) und widmet sich den schönen und gleichsam beschwerlichen Themen Freundschaft und Glückseligkeit. Joachim Linke bemerkt dabei gleich zu Beginn des Kapitels, dass unsere Großeltern und Urgroßeltern eigentlich alle »De guade alte Zeit« genießen durften – und trotzdem scheinen sie alle »nix davu ghabt« zu haben. Josef Fendl hingegen gibt sich der kleinen Freude hin, einen nostalgischen Blick auf »Oa Oar« (ein Ei) zu werfen; denn »wos is heut scho a Oar!« Herbert Schneiders Antwort fällt deutlich aus: »Unter an Hundata« gibt’s heute nichts mehr!

Das letzte Kapitel widmet sich explizit der bereits erwähnten Lust an der Sprache: »Mei Sprouch is mei Haus«. Hier kommen die filigransten Wortkompositionen und -spielereien zusammen. Dass sich dieses Kapitel am Ende des Buches findet, ist gut durchdacht: Wie der Begriff »Mundart« schon sagt, ist keiner der bayerischen Dialekte eine Schriftsprache. Deshalb standen die Autoren allesamt vor der Aufgabe, eine eigene Schriftsprache zu entwickeln. Speziell in diesem letzten Kapitel steht die Sprache als solche, das Bayerische, und nicht mehr der Inhalt im Mittelpunkt – und es hilft dem Leser ungemein, sich in den vorangehenden Kapiteln an diese angenähert zu haben, sei es durch lautes Lesen der Gedichte oder vereinzeltes Rätseln über gewisse Schreibweisen! Joseph Berlingers »wenne« (wenn ich) ist hierfür ein tragendes Beispiel. Das lyrische Ich grübelt darüber, ob es »a ganz a n aanana« (ein ganz ein anderer) wäre, wenn es eventuell »lenga lieng daad« (länger läge). Diese zum Teil schwierigen Übertragungen des gesprochenen Wortes in eine Schriftform sind aber keineswegs ein Defizit der Gedichte oder des Bandes, sondern das, was die Auseinandersetzung mit verschriftlichter Mundart-Lyrik besonders spannend macht. Damit das Sprachrätseln nicht ausartet und möglicherweise das Lesevergnügen nicht zu sehr drückt – man erinnere sich: es geht um die Lust an der Sprache –, gibt es ein kurzes Glossar, in dem die schwierigsten und eher selten gebrauchten Begriffe definiert werden. Das Glossar hat dabei schon einen Wert für sich: Man kann unter anderem lernen, was eine »Goaßnmaß« ist, nämlich ein schmackhafter Liter Bier mit Cola und Kirschlikör, und dass man nach deren Genuss beim »Noagerl« (Getränkerest) »blatzlaugert« (mit hervortretenden Augen dreinschaut), weil man gerne noch eine hätte.

Der Band wird abgerundet durch die beherzten Kapitelvignetten und die detailstarke Einbandgestaltung, illustriert von Johannes Haslsteiner. Die Sammlung ist ein großartiger Beitrag zur Debatte, wie viel Tradition möglich oder nötig ist, und man darf sich ruhig fragen, ob Tradition noch mehr ist als die Vermarktung von Klischee – eine Frage, die bildlich auch auf dem Einband aufgegriffen wird. Für einen detaillierteren Überblick zur bayerischen Mundart-Lyrik wäre ein erweiterter systematischer Teil wünschenswert, in dem die Entstehungsdaten der Gedichte und der zugehörige Dialekt zumindest Erwähnung fänden. Doch auch ohne diesen bleibt »Vastehst me« ein bereicherndes Leseerlebnis für den Altbayern ebenso wie für die interessierte Großstadtjugend, die keinen Dialekt mehr in die Wiege gelegt bekommt.

Vastehst me»Vastehst me – Bairische Gedichte aus 40 Jahren«
hrsg. v. Eva Bauernfeind, Hubert Ettl und Kristina Pöschl
Illustrationen von Johannes Haslsteiner
edition lichtung, Viechtach 2014
Klappenbroschur, 208 S.
€ 16,80 (D)

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4 Kommentare

  1. Schöne bayrische Mundart. Ich suche aber seit 30 Jahren ein bayrisches Mundartgedicht, in dem der 3.jährige kleine Maxl von seinem Vater schwärmt, der stärker ist als der Tarzan. Der pubertäre Max sich überhaupt net mehr mi´m Vater versteht, der 30 Jährige meint, dass das, was der Vater sagt, ger net so verkehrt ist, und der 40 Jährige meint, der Vater hat das auch früher so und so gesagt un d jetzt wird das auch so gemacht.
    Kann ich da geholfen werden??

    1. Griaß Di!
      I glaab, daß i Dir heijfn konn, muaß des Gedichtl aber zerscht hersuacha, und wenn i s gfundn hab, dann laß i s Dir zuakemma!
      Laßt mir hoit Deij Mail-Adress zuakemma, oder a Faxverbindung!
      Pfiat Di dawei!
      Gustl

  2. Servus,
    ich suche ein etwa 20zeiliges Gedicht. Darin wird der Begriff “Hund” im Bairischen in all seinen sprachlichen Nuancen dargestellt: Ein bläder Hund, woast scho – des is a Hund, a gscherter Hund, a fauler Hund, a ohdrahter Hund … Mir ist der Autor des Verserls total entfallen – war es der Zöpfl, oder der Josef Steidle? Oder ein ganz anderer?

    Leider brachte das Umhören im bairisch sprechenden Umfeld (München und rund um München) auch keinen Erfolg – niemand kann sich an die Abhandlung über den Hund erinnern.
    Ich würde mich freuen, wenn mir hier geholfen werden könnte.

    Im Voraus schon einmal herzlichen Dank für Eure Mühe

    Beste Grüße
    Hildegard

  3. Grüß Gott,
    vielleicht kann mir jemand helfen, ich suche ein Gedicht in dem es sinngemäß am Schluß heißt: …und so hat mein Vater sein Lebtag verfaulte Äpfl gegessen.

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