Versheimat – Folge 53: »Wir liegen im Wasser und träumen. Ein Heimathafen«

Die begleitende Netz-Anthologie zu DAS GEDICHT 24,
zusammengestellt und ediert von Fitzgerald Kusz und Anton G. Leitner

 

Knut Schaflinger

Wir liegen im Wasser und träumen. Ein Heimathafen

Wir ließen drei Schiffchen aus Papier ins Meer in ihrem zweiten Leben. Früher
waren sie Briefe gewesen. Eintrittskarten. Schokoladepapier. Je aufmerksamer
wir in unsre Weltumsegler bliesen desto lauter wurde das Platzen der Bläschen
im Schaum. Genau genommen färbte das Pusten erst unser Gesicht dann ging
in der Badewanne die Sonne unter. Mit Bürsten vom Knie den verspielten Nach
Mittag schruppen bis Erde und Seegang von stürmischen Zeiten erzählen. Über
dem Spiegel liegt grau vom Warmbad der Dunst. Langsam quert eine Fliege zu
Fuß diesen Himmel zittert wetterfühlig saugt mit dem Rüssel eine Spur ins Glas.
Du wolltest mit deinen Händen ein neues Gebirge entfachen. Die Haut faltig wie
Voralpenland. Unter dem Fingernagel der Mond fängt an sich zu zersetzen hörst
du den Gesang der Nachtigall aus dem Magen zu Abend gegessen wird spät erst
das Haar getrocknet der Fön treibt die Boote ins Offene hinaus. Dein alter Seebär
Großer Zeh liegt am Kai und winkt. Seifenblasen aneinander reiben bis ein Nacht
Falter kommt. Schaut. Unfähig zu entscheiden welches Licht er umkreisen soll im
Schaum dieser Milchstraße tausende Sterne von schmalen Brüsten durchbrochen.
 

© Knut Schaflinger, geboren 1951, lebt in Hamburg und Augsburg.

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DAS GEDICHT 24: Der Heimat auf den Versen

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»DAS GEDICHT 24: Der Heimat auf den Versen«,
herausgegeben von Anton G. Leitner und Fitzgerald Kusz

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