»Gedichte mit Tradition – Neue Blätter am Stammbaum der Poesie«: eine fortlaufende Online-Anthologie, zusammengestellt von Jan-Eike Hornauer
Hans-Werner Kube
Waldeinsamkeit
Waldeinsamkeit
man hört einen Streit
eine, die schreit
zwei sind entzweit
ein Mann, eine Maid
Waldeinsamkeit
Waldeinsamkeit
ein Hieb mit ’nem Scheit
der Mann fliegt zur Seit’
das Blut, das er speit
besudelt ihr Kleid
Waldeinsamkeit
Waldeinsamkeit
das Mädchen rennt weit
vom Freier befreit
verliert keine Zeit
ihr tut’s nicht leid
Waldeinsamkeit
© Hans-Werner Kube, Witten
+ Das Original
Ludwig Tieck
Waldeinsamkeit
Waldeinsamkeit,
Die mich erfreut,
So morgen wie heut
In ewiger Zeit,
O wie mich erfreut
Waldeinsamkeit.
Waldeinsamkeit,
Wie liegst du weit!
O dir gereut
Einst mit der Zeit.
Ach einzge Freud
Waldeinsamkeit!
Waldeinsamkeit,
Mich wieder freut,
Mir geschieht kein Leid,
Hier wohnt kein Neid,
Von neuem mich freut
Waldeinsamkeit.
Anmerkung: Ludwig Tiecks auch als einzeln stehendes und zusammenhängendes Gedicht weit verbreitetes Poem »Waldeinsamkeit« erschien ursprünglich zentral- und leitmotivisch in seinem Kunstmärchen »Der blonde Eckbert«. Hier spiegeln die drei Strophen, die an unterschiedlichen Stellen auftreten und keinen Titel tragen, auch eine inhaltliche Entwicklung wider. Tod und Mord sind, wie ja nicht eben untypisch für die Romantik, wesentliche Bestandteile von »Der blonde Eckbert«.
+ Zum Autor
Hans-Werner Kube, 1953 in Leverkusen geboren, war nacheinander Finanzbeamter, Zivi, Gemeindepastor. Lebt seit 2001 als Verwaltungsangestellter und Redakteur in Witten. Kube gehört zum Autorenkreis Ruhr-Mark und leitet den Wittener Autorinnen- und Autorentreff. Er schreibt überwiegend Lyrik, hat einige Preise gewonnen, u. a. den Hochstadter Stier 2015 (Publikumspreis), und veröffentlicht in Anthologien, Zeitungen und Literaturzeitschriften, u. a. in DAS GEDICHT.
»Gedichte mit Tradition« im Archiv
Zu dieser Reihe: »Gedichte mit Tradition – Neue Blätter am Stammbaum der Poesie« ist eine Online-Sammlung zeitgenössischer Poeme, die zentral auf ein bedeutendes Werk referieren, ob nun ernsthaft oder humoristisch, sich verbeugend oder kritisch. Jeden Freitag erscheint eine neue Folge der von Jan-Eike Hornauer herausgegebenen Open-End-Anthologie. Alle bereits geposteten Folgen finden Sie hier.