Einfach edel: bilingualer Auswahlband mit Anton G. Leitners Gedichten in französischer Edition erschienen

Der farbige Verkaufsumschlag des französisch-deutschen Auswahlbandes »voix en plain trafic – Stimmen im Verkehr«

Es ist schon so etwas wie ein Ritterschlag – und für den Schriftsteller, Herausgeber und Lyriknetzwerker ein besonderer Grund zu Freude: In der bilingualen Edition des französischen Alidades-Verlags ist im Frühjahr 2020 unter dem Titel »voix en plain trafic – Stimmen im Verkehr« ein Auswahlband mit Gedichten von Anton G. Leitner erschienen. Seine Vorgänger in der deutsch-französischen Reihe sind: Heinrich Böll, Uwe Dick, Dieter M. Gräf, Peter Härtling, Manfred Peter Hein, Friedrich Nietzsche, Patrick Roth und Joachim Sartorius.

25 Gedichte hat der arrivierte Übersetzer und anerkannte Lyrikeditor Joël Vincent herausgesucht und ins Französische übertragen. Die Mehrzahl stammt aus Leitners Lyrikband »Im Glas tickt der Sand«, hinzu kommen Poeme aus »Die Wahrheit über Uncle Spam« und aus dem Mundartwerk »Schnablgwax«. Zweisprachig präsentiert werden sie in einem Bändchen, das einfach und edel zugleich daherkommt: wertiges Papier, schöner Druck und ein haptisch sowie optisch ansprechender Umschlag kommen hier mit einfacher Klammerheftung zusammen. Hinzu kommt ein schützender Verkaufsumschlag, der ästhetisch und zugleich funktional gestaltet ist. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang auch der Preis, er fällt mit sechs Euro gewiss für so manchen Leser in Deutschland überraschend und erfreulich gering aus.

Die Liebe am Anfang – und der Tod kommt hinzu

Schlicht-eleganter Titel des eigentlichen Broschurbandes mit Gedichten von Anton G. Leitner im Original sowie in Joël Vincents Übersetzung

Doch nun zum Eigentlichen: den lyrischen Texten. Es geht los mit der Liebe, der Zweisamkeit, dem Erotischen, es geht um »zusammen // nippen / am Himmel« und ums ostentative Körpergrillen im Isarsommer. Sogar im Salatbeet wälzen sich die Liebenden. Bald aber lauert auch schon der Tod in den Versen: Im U-Bahnschacht etwa kommt er herangerast. Und nach ihm, mit ihm geht der Verkehr weiter, das Wirrwarr der Stimmen, des Seins und Nichtseins – und alles verbindet sich am Ende miteinander. Ebenso wie Liebe und Tod übrigens, nicht umsonst wird der Orgasmus, vor allem von unseren französischen Nachbarn, auch als kleiner Tod bezeichnet. Unbestritten ist: Beides reißt aus dem Leben, aber das eine eben nur für einen Moment, das andere für immer.

Das Momentum des Todes verblasst bald, das der Liebe wird hingegen noch gedehnt, etwa wenn es um die bange Frage geht, ob die Freundin nach etwas Freude im ersten Semester nun schwanger ist – und wie man als junges Paar die Zeit bis zur Antwort erlebt. Und die »Kleine Welt Runde mit F.« ist schließlich eine große Liebeserklärung, und zwar vom Dichter Anton G. Leitner an seine Felizitas, ohne die er – und umgedreht wohl auch sie ohne ihn – schon seit langer, langer Zeit gar nicht mehr denkbar ist.

Bekanntes Land neu entdecken – und sich neben Tiefgründigem auch Albernes trauen

Weiter geht es um Philosophisches (gerne auch mal derb und knapp auf den Punkt gebracht), um den Menschen in der Welt (grundsätzlich und auf die Modernitäten der Gegenwart bezogen, etwa Internet und Pornografie) und um zeitlose Bilder wie die zarte Birke, die, ihrem »Bio Rhythmus« folgend, ihr Blattwerk verliert. Überraschende Perspektivwechsel ergeben sich, wenn Bekanntes auf einmal aus der entgegengesetzten Richtung betrachtet wird: Wenn beispielsweise das Meer, aus dem alles Leben entstanden ist, das »Land mit anderen Augen /sieht«. Aber auch Albern-Humoristisches hat in diesem Gedichtband seinen Platz. In die Wortgaukelei Verliebte kommen nicht zu kurz, ob Leitner Szenen einer Ehe beschreibt oder Weltraumfahrer im All. In entspannter Stimmung werden die Leserinnen und Leser aus dem schmalen, sorgfältig zusammengestellten und edierten bilingualen Band entlassen. Und dies ganz gleich, ob sie nun die deutschen Fassungen gelesen haben, die französischen oder beide.

(jeh)

 

Die Eckdaten zum Buch:

Anton G. Leitner
»voix en plein trafic / Stimmen im Verkehr«
Zweisprachige Ausgabe (Französisch–Deutsch),
Übersetzung ins Französische von Joël Vincent
Alidades | collection Bilingues, Thonon-les-Bains, France
48 Seiten, € 6,- [D], April 2020
ISBN 978-2-919376-71-1
Weitere Informationen und Bestellmöglichkeit in Deutschland
über den Lyrikshop der Zeitschrift DAS GEDICHT
im Anton G. Leitner Verlag (AGLV): https://aglv.com/voix-en-plein-trafic
Oder Bestellen direkt beim Alidades-Verlag in Frankreich:
http://www.alidades.fr/leitner.html

 

Leseproben:

 

Anton G. Leitner

Kleine Welt Runde
mit F.

Alles, was ich brauche
um mich: Du, will sagen
bist der Halt, aber drehst dich
mit mir im Kreis.
Wir beschreiben uns selbst
im Drehen erst richtig:
Mann und Frau
bis das Karussell still steht
halten wir stand

* * *


Le petit monde tout en rond

avec F.

Tout ce qu’il me faut
autour de moi : Toi, je veux dire
Tu es le soutien, tu tournes
En rond avec moi.
Nous nous décrivons nous-mêmes
en tournant avant tout parfaitement :
homme et femme
jusqu’à l’arrêt du manège
nous tenons bon

Traduit par Joël Vincent

 

Zum Autor:

Anton G. Leitner. Foto: Volker Derlath, München.

Anton G. Leitner, geb. 1961 in München, lebt als Schriftsteller, Herausgeber und Verleger in Weßling (Lkr. Starnberg). Seit 1993 ediert er die buchstarke Jahresschrift »Das Gedicht«. Leitner veröffentlichte bislang mehr als 40 Anthologien, darunter jüngst bei Philipp Reclam jun. »Die Bienen halten die Uhren auf. Naturgedichte« (2020). Von ihm erschienen bislang dreizehn lyrische Einzeltitel, zuletzt »Schnablgwax. Bairisches Verskabarett«. Eine Werkauswahl seiner Gedichte wurde ins Englische übertragen und 2018 unter dem Titel »Selected Poems 1981–2015« bei SurVision Books in Dublin publiziert. Er wurde mehrfach ausgezeichnet, u. a. mit dem V. O. Stomps-Preis der Stadt Mainz, dem Bayerischen Poetentaler und dem Tassilo-Kulturpreis der Süddeutschen Zeitung.

 

 

 

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