Lockdown-Lyrik 123: »DER, DIE, DAS Virus« von Helge Thun

»Lockdown-Lyrik! Quarantäne querdenken – etwas ernst zu nehmen heißt nicht, sich davon unterkriegen zu lassen« ist eine Online-Sammlung von Gedichten, die sich mit der Corona-Krise befassen. Es darf uns die Sprache nicht verschlagen! In loser Folge erscheinen neue Episoden der von Alex Dreppec, Jan-Eike Hornauer und Fritz Deppert herausgegebenen Anthologie.

 

Helge Thun

DER, DIE, DAS Virus

Ich frage mich grad ohne Unterlass:
Heißt es jetzt DER oder DAS oder was?
Oder DAS oder DER und woher
weiß ich, ob es heißt ES oder ER?

Und ich versteh auch die ganze Zeit nich‘:
Warum im Plural DIE, also weiblich?
DER, DIE, DAS Virus? Oder DIE Viren?
Soll ich DEN, oder DAS oder DESinfizieren?

Ist der Erreger nun maskulin?
Und wie halt ich dann meine Maske clean?
Oder ist das Mistviech ein Neutrum?
Bringt‘s mich morgen oder schon heut‘ um?

Wann gibt es denn endlich DIE Medizin!
Da weiß ich wenigstens: Feminin!
Millionen hocken zu Haus‘ in den Buden
und fragen sich beim Lesen im Duden:

Wie weiß ich, was ich denn da sage?
Ich merke, das verändert grade
mein Bild zur ganzen Genderfrage!
Vielleicht sind wir ja in der Lage

Bakterien zu töten, Bazillen zu killen,
aber wie verdammt um Himmelswillen
soll‘n wir den Erreger denn besiegen,
wenn Forscher es nicht mal hinkriegen

mehr schlecht als recht in so’ner schlimmen
Lage das Geschlecht zu bestimmen?

 
Zu sehen bei: Reim Patrouille Folge 3 (Minute 21:20)

 
© Helge Thun, Tübingen

 

Zu dieser Reihe: »Lockdown-Lyrik! Quarantäne querdenken – etwas ernst zu nehmen heißt nicht, sich davon unterkriegen zu lassen« ist eine Online-Sammlung zu den aktuellen Auswirkungen der Corona-Krise. Wir wollen im Gespräch bleiben, während wir Infektionsketten unterbrechen. Wir wollen die Erfahrung der Vereinzelung miteinander teilen. Wir wollen virtuelle Brücken bauen. Wir wollen das tun, was wir können: dichten, die Welt – und auch die aktuelle Situation – poetisch erfassen.Unser Anliegen ist es in jedem Fall, zu einem Mehr an Besonnenheit beizutragen, zu versöhnen statt zu spalten. Mit Sorge sehen wir überharte Diskussionen, wie sie derzeit online, aber auch offline zu häufig geführt werden. Klar ist uns: Es gehört zu einer Demokratie dazu, Konflikte auszutragen. Aber wir insistieren auch hierauf: Es ist ebenso unerlässlich, sich des Gemeinsamen, Verbindenden bewusst zu sein und zu werden sowie respektvoll miteinander umzugehen.

Uns ist bewusst, dass bereits der Ansatz, zur Corona-Pandemie eine Lyrik-Online-Anthologie herauszugeben, ihre Auswirkungen zeitnah lyrisch zu behandeln, und dies aus verschiedenen Perspektiven sowie in unterschiedlichen Tonlagen, als Provokation aufgefasst werden kann. So ist diese Sammlung keineswegs gemeint. Ihr Thema an sich ist jedoch eben hochemotional besetzt. Für uns, die Herausgeber der Reihe, bleibt trotzdem und gerade deshalb wichtig: Wir wollen Brücken bauen, Perspektiven weiten, der ungewohnten Situation mit poetischen Mitteln und im gemeinschaftlichen Sinne begegnen.

Bleiben Sie gesund!

Alex Dreppec, Jan-Eike Hornauer, Fritz Deppert
 
PS: Alle bereits geposteten Folgen von »Lockdown-Lyrik! Quarantäne querdenken – etwas ernst zu nehmen heißt nicht, sich davon unterkriegen zu lassen« finden Sie hier. In loser, jedoch zügiger Folge wird die Sammlung erweitert.

 

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