Lockdown-Lyrik 2.0 / 154: »Stolberg« von Valéry Dvoinikov

»Lockdown-Lyrik 2.0! Quarantäne poetisch ausleuchten – etwas ernst zu nehmen heißt nicht, sich davon unterkriegen zu lassen« ist eine Online-Sammlung von Gedichten, die sich mit der Corona-Krise befassen. Es darf uns weiterhin die Sprache nicht verschlagen! In loser Folge erscheinen neue Episoden der nun von Sabine Schiffner, Anton G. Leitner, Alex Dreppec und Fritz Deppert herausgegebenen Anthologie (Dank an Jan-Eike Hornauer, Mitherausgeber Folge 1-154).

 

Valéry Dvoinikov
 

Stolberg

„durch die Rauchwolken, aus den Fabriken“
Vladislav Khodassévitch

Stolberg, seine Straßen verwaist, seine Buden dicht
und ein Weg steigt hoch Richtung Licht,
oberhalb des Ortes, an dem die Kreuze stehen,
hinter den Kirchen, von hier kaum zu sehen.

Diese rauchenden Schlote, Landschaft grau in grau
von Männerhänden geschaffen einst, Bau für Bau,
sie versprachen den Menschen das Glück als Lohn
durch die so zu sichernde Produktion.

Das Glück verwaister Straßen, die Buden sind dicht,
und ein Weg steigt dennoch hier hoch Richtung Licht,
hinter den Kirchen, also da, wo die Kreuze stehen,
wie vergebliches Hoffen auf Freuden, die nicht vergehen.

 

Stolberg

« À travers les nuages de fumée des usines »
Vladislav Khodassévitch

Stolberg, ses rues vides, ses échoppes fermées
et un chemin qui monte vers l’éternité,
au-delà des églises, au-dessus des croix,
là où personne d’habitude ne les voit…

Ces usines qui fument, ce paysage uni
que les hommes par leurs mains ont jadis bâtis,
préférant assurer la productivité,
promettant le bonheur à l’humanité…

Le bonheur des rues vides, des échoppes fermées,
de ce chemin qui monte vers l’éternité,
au-dessus des églises, au-delà des croix,
comme un vain espoir d’une fugace joie…

 

© 2020, Valéry Dvoinikov, Belgien
(Übersetzung und Redaktion: Sabine Schiffner und Alex Dreppec)

 

 

Lockdown Lyrik 2.0. Wir hatten gehofft, dass es zu keinem zweiten Lockdown mehr kommen würde. Aber jetzt ist er angeordnet, der sog. »Wellenbrecher-Lockdown«. Er beginnt in Deutschland ab Montag, den 2. November 2020 – mit der Aussicht auf triste Herbst- und Wintertage. Grund genug für die Redaktion der Jahresschrift DAS GEDICHT, ihre vieldiskutierte Netz-Anthologie zur Corona-Krise vom Frühjahr 2020 wieder hochzufahren. Möge diese Online-Sammlung zur Pandemie uns allen einmal mehr dabei helfen, tief Luft zu holen und möglichst viele Aspekte der weltweiten Katastrophe mit dem Instrumentarium der Lyrik auszuleuchten, damit wir und unsere Leserinnen und Leser mental nicht unter die zweite Welle geraten!

Sabine Schiffner, Alex Dreppec, Fritz Deppert und Anton G. Leitner
 
PS: Alle bereits geposteten Folgen von »Lockdown-Lyrik! Quarantäne querdenken – etwas ernst zu nehmen heißt nicht, sich davon unterkriegen zu lassen« finden Sie hier. In loser, jedoch zügiger Folge wird die Sammlung erweitert.

 

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