Humor in der Lyrik – Folge 39: Paul Klee (1879 – 1940): »Ich sage Dichterisches, kein Literarisches.«

Die Behauptung ›Lyriker haben keinen Humor‹ gehört zu den unausrottbaren Missverständnissen. Doch gerade in dieser literarischen Gattung blüht Humor in allen Facetten. Alfons Schweiggert stellt an jedem 25. des Monats lyrischen Humor und humorvolle Lyriker in seiner Rubrik »Humor in der Lyrik« vor. Als Kolumnist von DAS GEDICHT blog will er damit Anregungen geben, Humor in der Lyrik zu entdecken und humorvolle Vertreter dieser Gattung (wieder) zu lesen.

Den weltberühmten Maler Paul Klee kennt jeder, den Dichter kaum einer. Lange Zeit waren Paul Klees Gedichte nur seiner Familie bekannt. Erst 20 Jahre nach seinem Tod veröffentlichte sein Sohn Felix 1860 einen Gedichtband mit Texten seines Vaters.

»Zuerst war ich ein Kind«, notierte Paul Klee ins Tagebuch. »Dann schrieb ich nette Aufsätze und konnte auch rechnen. […] Vor der Sekunda wäre ich gern durchgebrannt, was aber der Eltern Wille verhinderte. Ich fühlte nun ein Martyrium. Nur das Verbotene freute mich. Zeichnungen und Schriftstellerei. Als ich ein schlechtes Examen bestanden hatte, fing ich in München das Malen an.«

Paul Klee. Skizze: Alfons Schweiggert
Paul Klee. Skizze: Alfons Schweiggert
Als begeisterter Leser standen in Klees Bibliothek nicht nur Schriften von Aischylos, Dante und Calderon und Schillers und Goethes Werke, sondern auch satirische Leckerbissen von Voltaire, E.T.A Hoffmann und Laurence Sterne bis hin zu Edgar Allan Poe. Lange Zeit scheint er sich nicht im Klaren gewesen zu sei, ob er sich zur Musik, zur Malerei oder zur Dichtung hinwenden soll. Als Sohn eines Berner Musiklehrers wäre er sicher auch ein begabter Geiger geworden. Auch wenn er sich dann vorrangig der Malerei zuwandte, lässt ihn der spielerische Umgang mit Sprache zeitlebens nie los. Von klein auf war er ein intensiver Leser, zu dessen Lektüre stets auch Gedichte gehörten. Vorbilder scheinen ihm unter anderem die Gedichte von Christian Morgenstern, Kurt Schwitters, aber auch von Heinrich Heine gewesen zu sein.

Paul Klee war fasziniert von der poetischen Kraft kindlicher Malereien: »Ein Kind zeichnet und malt, wie es denkt«, schrieb er. »Seine Bilder – wenn sie rein und unverdorben bleiben – sind Bilder einer inneren Auseinandersetzung, eines inneren Fortschreitens im Durchdringen der Welt. Sie haben in ihrer Natürlichkeit ein eigenes Gesetz. Sie weisen auf ferne Zustände, innige, längst verlorene, die nur mühsam einzuholen sind.« Auch die Schlichtheit der kindlichen Sprache faszinierte ihn, in der jene fernen, verlorenen Zustände der frühen Kindheit zum Ausdruck kommen: »Wenn bei meinen Sachen manchmal ein primitiver Eindruck entsteht, so erklärt sich diese Primitivität aus meiner Disziplin, auf wenige Stufen zu reduzieren. Sie ist nur Sparsamkeit als letzte professionelle Erkenntnis, also Gegenteil von wirklicher Primitivität«, äußerte er. Und so sind auch ein Großteil von Paul Klees Gedichten meist keine originellen hochliterarischen Texte, sondern oft nur einfache Sprachspielereien eines Wortakrobaten, die viel feinen Sinn für Ironie und Witz verraten und die auch überraschende Blicke auf seine Bilder ermöglichen. »Ich sage Dichterisches, kein Literarisches«, betonte er, sah sich also nicht als Literat, aber durchaus als Dichter, der mit Worten gestaltet, so wie er als Maler mit Farbe und Form etwas zu kreieren versucht.
 

O Dichter!
Willst Du den Moder einer Gruft schildern
und gebricht es Dir dabei
an der so nötigen Inspiration,
kauf Dir einen Camembert,
und ab und zu daran riechend,
wirst Du können.

 
Als dichtender Maler oder malender Dichter präsentiert sich Paul Klee. Er ist ein Dichtermaler, der gleichsam mit Worten malt, so wie er seine Bilder mit Farbe schreibt.
 

Wasser
darauf Wellen,
darauf ein Boot,
darauf ein Weib,
darauf ein Mann.

 
Vieles »Dichterische« von ihm ist lediglich eine schlichte Aneinanderreihung von Reimen, wie
 

Ein Gedicht mit den Reimen

Augen
Brust
Lust
Nacht
gelacht
Schlaf
traf
Gesellen
bestellen
Bäumen
träumen
Herzensnacht

 
Auch Unsinnsgedichte und Gelegenheitsverse sind darunter:
 

Als ich noch ein loser Schelm war,
wußte ich freche Lieder.

Einen Vers weiß ich noch:
»Er kam herunter und sie kam nieder.«

Die übrigen hat der Wind verweht.
Jetzt geb’ ich mir Mühe und bin bieder.

 
Ebenso findet sich Volksliedhaftes in seinem dichterischen Werk. Und selbst vor so manchem Kalauer, mitunter in Mundart, scheut er nicht zurück.
 

Was scherimi ummi
I bi so guet wini
Der Kerli der i bi
kani nolang werde.

 
Die Faszination für bayerische Mundart verleitete ihn zu folgenden Zeilen:
 

A K U A K E N
a Kuh Ketten

A B U A M A N Z I A G L
a Bubenanzügel

A N F O N
an Faden

A B A G L M E I D E
a Packel Maitee

 

Neben ernsten Gedichten sind es auch einfache Spaßgedichte, wie
 

A und B haben lange beim Wein gestritten
und stehen auf entgegengesetzten Punkten.
Im Trinkstadium der Gerührtheit
kommen sie sich versöhnlich entgegen.

Jeder hält seine Rede mit so viel Schwung,
daß B bei Standpunkt A landet,
und A beim Standpunkt B.
Mit staunendem Blick reichen sie sich die Hand.

 

Für den Dichter Philippe Soupault war Klee gar der Erfinder des Surrealismus: »Dank ihm sind wir Blinde, die sehen.«
 

Allerhand und bein
Allerhand und fuß

W   INTERESSE   N
Bettelarm und reich

Eine Amme eingeschoben zwischen
KA und EL
Wobei das eine M dann
ruhig wegbleiben kann.

 

Alfons Schweiggert. Foto: Gerd Pfeiffer, München
Alfons Schweiggert. Foto: Gerd Pfeiffer, München

»Humor in der Lyrik« wird Ihnen von Alfons Schweiggert präsentiert. Der Münchner Schriftsteller veröffentlichte neben Erzählungen und seinem Roman »Das Buch« mehrere Lyrikbände, Biographien und Sachbücher sowie Kinder- und Jugendbücher. Nach mehrjähriger Lehrtätigkeit als Institutsrektor am Staatsinstitut für Schulqualität und Bildungsforschung in München ist er seit 2010 freischaffender Autor. Schweiggert ist Präsidiumsmitglied der Schriftstellervereinigung Turmschreiber und Vorstand der »Karl Valentin-Gesellschaft«.
Alle bereits erschienenen Folgen von »Humor in der Lyrik« finden Sie hier.

2 Kommentare

  1. Auch wenn sich wohl im letzten Klee-Gedicht irgendein neumodischer computerbasierter Fehler eingeschlichen hat, so danke ich herzlich für diese Infos über Klee und seine Gedichte. Dass er auch “poetisiert” war mir nicht bekannt und es ist sehr erheiternd. Danke!

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