Melanie am Letzten – Folge 61: Gewaltverschönerung

Es ist ein Wahnsinn, ein Irrsinn und nicht selten ein Blödsinn: So geht es zu im Tollhaus Welt. Der Mensch neigt zu seltsamen Verhaltensweisen, die schockieren, alarmieren oder amüsieren können. Was hilft zu guter Letzt? Die Poesie. Nicht ärgern, stänkern oder meckern, sondern dichten – meint die schwarzhumorige Poetin Melanie Arzenheimer und kommentiert die Deadlines des Lebens jeweils am Monatsende auf DAS GEDICHT blog.

 

Es gibt Dinge, die gehen gar nicht. Da sind wir uns alle einig. Gewaltverherrlichung zum Beispiel. Wer mit Freude anderen und vor allem anders Denkenden (so seltsam deren Gedanken auch sein mögen) eins auf die Schnauze haut und das als glorreiche Heldentat verherrlicht, hat in einer zivilisierten Gesellschaft nichts verloren.

Was aber, wenn die Gewalt so richtig hübsch verpackt wird und damit im Prinzip zur Kunst erhoben wird? An dieser Stelle muss gewarnt werden: Der nun folgende Text kann Gewaltbeschreibungen enthalten, die für ein jüngeres Publikum vielleicht ungeeignet erscheinen könnten.

Man stelle sich nun das Opfer einer Enthauptung vor. Als Figur. In einer Kirche. Da steht der Heilige Dionysus und hält seinen eigenen Kopf in Händen. Das Haupt ist natürlich wunderbar mit Blattgold verziert und der Gesichtsausdruck verheißt dem Gläubigen, der an ihm vorbei geht, dass es ja so was von erhebend, erfüllend oder beglückend ist, wenn einem die eigene Rübe vom Rumpf getrennt wird. Ja, plakatives Enthaupten ist keine Erfindung der IS-Marketingabteilung. Neben dem Heiligen Dionysus wird gleich der brutale Tod des nächsten Märtyrers verklärt: Der Heilige Erasmus steht da und lächelt, während ein kleiner, im wahrsten Sinne goldiger Engel eine Spule in Händen hält. Was da auf gespult wurde? Die Därme des Heiligen. So kam er zu Tode. Nett, oder? Sieht jedenfalls hübsch aus, ist aber im Grunde an Brutalität von keinem Counterstrike-Spiel oder Horror-Splasher-Film zu übertreffen.

An dieser Stelle könnte man auch noch das Martyrium des heiligem Emmeram erläutern, aber dann würde so viel Blut aus dieser Webseite tropfen, dass man unter Ihren Computer oder Ihr Smartphone, auf dem Sie diesen Text gerade lesen, einen Eimer stellen müsste.

 

Katholische Bilderbuchkarriere, 13. Jahrhundert

verehrt
verraten
verbrannt
verscharrt
vergeben
verehrt

 

© Melanie Arzenheimer, Eichstätt

 

Melanie Arzenheimer. Foto: Volker Derlath
Melanie Arzenheimer. Foto: Volker Derlath

»Melanie am Letzten« wird Ihnen von Melanie Arzenheimer präsentiert. Sie wurde 1972 in Eichstätt / Bayern geboren, wo sie heute noch wohnt. Melanie Arzenheimer arbeitet als freiberufliche Journalistin, Autorin und Hörfunkmoderatorin.
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